Kämpfen oder nicht kämpfen - das ist die Frage


Oder vielleicht kann die Frage auch lauten:

Muss ich überhaupt kämpfen? Und wenn ja, wogegen? Etwa gegen meine eigenen Zellen?

Ich kann mir gut vorstellen, dass jetzt einige die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: "Natürlich musst du kämpfen! Du darfst nie aufgeben! Kämpfe, kämpfe, kämpfe!"

Für viele ist das Bild der Kämpferin vermutlich sehr passend und hilfreich. Ich kann das gut nachvollziehen - ich war mein Leben lang eine Kämpferin. Also weiter so Mädels, wenns Euch gut tut.

Mit meinem Brustkrebs durfte ich jedoch eine andere Lektion lernen und habe diese in einem Kapitel in meinem Buch beschrieben.


Kapitelauszug aus dem Buch "Auf der anderen Seite der Glaswand"

(Es darf der Text oder Teile daraus nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Autorin verwendet werden.)


Meine Aufgabe war nicht kämpfen


Immer wieder hört man die Worte: Der Kampf gegen den Krebs. Sie hat gekämpft und gesiegt. Oder: Sie hat den Kampf verloren. Von Beginn an konnte ich mich nicht mit dem Wort Kampf in Bezug auf meinen Brustkrebs anfreunden. Ich wollte nicht kämpfen. Gegen wen denn? Ich empfand die Krebszellen nicht als etwas Fremdes, was es zu bekämpfen galt. Ich wollte sie verabschieden. Sie aus meinem Körper befreien. Diese Formulierung wäre wohl zutreffender für mich. Schließlich ist der Krebs aus meinen eigenen Zellen entstanden. Aus Zellen, die sich einfach zu schnell geteilt haben. Wenn ich den Leuten sagte, dass ich nicht kämpfe, wurde ich oft mit angsterfülltem Entsetzen angeschaut. „Wie kannst du nur aufgeben?“ Ich erklärte dann, dass das für mich nichts mit aufgeben zu tun habe. Schließlich lasse ich alle medizinischen Maßnahmen an mir durchführen, und noch weitere Heilungsmaßnahmen darüber hinaus. Aber kämpfen wollte ich nicht. Ich habe in meinem Leben sehr oft, sehr viel gekämpft. Ich kann das sehr gut. Wenn Freunde mich beschrieben haben, sagten sie oft, ich sei eine kämpferische Natur. Aber mit dieser Krankheit habe ich etwas anderes lernen dürfen. Ich lernte, die Dinge anzunehmen. Ich lernte, geduldig zu sein. Und vor allem lernte ich, Vertrauen in mein Schicksal zu haben – wie auch immer es ausgehen wird. Das war meine Aufgabe und meine Lektion. Mag sein, dass für viele andere die Beschreibung „Kampf“ mehr zutrifft. Für viele ist das vielleicht das richtige Bild, um mit der Krankheit, der Therapie und den Folgen besser fertig zu werden. Es gibt sehr schöne Beispiele dafür im Internet. Frauen, die sich als Kriegerinnen präsentieren – und das mit Stolz und vollstem Recht. Ich konnte mich einfach nicht in solch einer Rolle sehen. Ich wollte nicht „hart“ werden, ich wollte „weich“ werden. Weich im Sein, im Tun, im Sprechen. Wie das Wasser, welches sich anpasst und ohne Mühe immer den einfachsten Weg findet. Diese Taktik war neu in meinem Leben und hat mich so vieles gelehrt.


Unumgänglich drängt sich die Frage auf: Hat der Krebs auch etwas Gutes bewirkt? Ja, hat er – zumindest für mich. Ich habe keine Wut auf den Krebs. Ich hadere nicht mit meiner Krankengeschichte. Auch in vielen anderen Dingen in meinem Leben hat sich Wut, Ärger und Sorge sehr verringert oder sogar aufgelöst. Die Zeit ist mir zu schade, um sie mit Groll zu verbringen. Natürlich kann ich mich auch jetzt noch über Verschiedenstes aufregen oder wütend auf jemanden sein, aber in der Regel verfliegt das ziemlich rasch wieder.


Und kämpfen? Auch kämpfen kann ich immer noch wie ein Tiger. Aber ich habe gemerkt, dass es meistens gar nicht nötig ist. Das Wasser rinnt früher oder später immer dort zusammen wo Platz dafür ist. Und zwar ganz mühelos. …




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