Vom Jammern und vom positiven Denken

Vom Jammern und vom positiven Denken

 

 

 

Ich bin ein hoffnungsloser Optimist. Eine Eigenschaft, die mir schon oft im Leben geholfen hat und, die ich - je älter ich wurde - immer mehr verfeinert habe. Seit meiner Diagnose zelebriere ich den Optimismus förmlich. Ich bilde mir ein, dass es mir hilft ein freudigeres Leben zu führen. Wer weiß, wie es mir ginge, wenn ich kein Optimist wäre. Vielleicht ginge es mir genau gleich - aber eben nicht genau gleich, weil ich stets Probleme wälzen und Jammern würde. Also ist alles doch nur Einstellungssache?

 

Nun hat dieser Optimismus auch einen kleinen Nachteil. Die Leute rundum nehmen es als selbstverständlich, dass es dir gut geht und eh alles super wird. Manchmal fühle ich mich nicht komplett wahrgenommen. Und ich bin offensichtlich auch noch selbst daran schuld. Ich bemühe mich um Optimismus und Normalität, aber es ist eben doch nicht mehr alles so „normal“ wie es mal war.

 

 

Darum habe ich mich entschieden hier und jetzt mal ordentlich zu jammern!

(Wer es nicht aushält oder nicht hören will soll einfach einen Absatz weiter unten weiterlesen!) :-)

 

 

Also, mich zipft es an, jeden Tag eine Tablette zu schlucken, die mir so einige Nebenwirkungen beschert. Die schlimmste NW im Moment ist, dass meine Gebärmutterschleimhaut wieder mal auf 18 mm angewachsen ist und mir WIEDER MAL eine Ausschabung bevor steht. Und nein, nicht um das Zeug wirklich raus zu kratzen, sondern um eine Probe daraus zu entnehmen und zu prüfen, ob da ja auch nichts Bösartiges mitwächst. Juhuuuu, mein Kopfkino läuft auf Hochtouren. Und dann ist da noch die nächste Nebenwirkung: das „Nicht-mehr-durchschlafen-können“. Seit Oktober 2013 sind es bestimmt keine 10 Nächte, die ich mal durchgeschlafen habe. Jede Nacht wache ich auf – manchmal nur kurz, manchmal aber auch sehr lange – und zwar zwischen 3 und bis zu 10 Mal. Und dann stehe ich auf, überschminke meine dunklen Augenränder und fahre ins Büro. Mehrmals am Tag und sehr oft auch in der Nacht plagen mich übelste Hitzewallungen. Ich versuche es mit Humor zu nehmen und habe ein ausgeklügeltes Klamotten-Zwiebel-System entwickelt. Außerdem ist in meiner Handtasche immer ein Fächer griffbereit. Olé y olé! Und apropos Klamotten: Da habe ich inzwischen eine Auswahl, die 3 Größen beinhaltet. Kilos rauf, Kilos runter, Kilos wieder rauf, Busen weg, Busen wächst, Busen verkleinern... uffff. Das ist übrigens das wahre Geheimnis, warum ich die letzte Zeit am liebsten nur noch Stretch-Klamotten anhabe. Frust! Und immer wieder das Kopfkino – vor allem, wenns mal irgendwo im Körper zwickt. Wächst da etwa wieder was? Schwirren noch böse Zellen in mir rum? Wäre eine Chemo vielleicht doch besser gewesen? Und dann wäre da noch die Stelle mit den entfernten Lymphknoten. Ich habe ganz brav nach der OP massiert und massiert. Und oft spüre ich tagelang nichts, aber dann geht’s wieder los. Meistens wenn ich den Arm zu wenig bewege wie z.B. bei intensiver Computerarbeit. Dann geh ich schon mal auf die Toilette einfach nur um meine Lymphen zu massieren. Kriegt ja niemand mit! Im Tanztraining merken vielleicht meine Kolleginnen doch, dass ich nicht mehr ganz die Alte bin. Früher war ich stets in der ersten Reihe – das Vorbild für die ganze Gruppe. Jetzt verstecke ich mich am liebsten hinten und hoffe, dass nicht zu viele Bewegungen mit Armen und Torso in der Choreo vorkommen, die ich leider nicht mehr bis zum Anschlag ausführen kann. Ich tanze jetzt „Soft-Flamenco“ J. Dann ist natürlich noch die Sache mit meinen neuen Tittchen. Ich mag sie. Trotz all den Narben und all der Asymmetrie. Manchmal stört es mich, dass ich auf der rechten Seite kein bzw. nur ein diffuses Gefühl habe. Aber Gottseidank ist das bei weitem nicht so schlimm, wie ich es mir vor der OP vorgestellt habe. Soooo, und was gibt’s noch zu Jammern? Naja, die Zeit, die viele Zeit die man aufwenden muss für alle Termine, Arztbesuche, Spritzen, Infusionen usw. Zeit, in der mir immer wieder klar wird: Es ist nicht mehr so wie es war, trotz allen Versuchen „Normalität“ zu leben. Seit 2,5 Jahren bin ich im Nachsorgeprogramm und bekomme AHT (Antihormontherapie) mit Nolvadex, Zoladex und Zometa. Nolvadex ist das tägliche Tablettchen, welches die Östrogene dahingehend verändert, dass diese nicht an etwaig umherschwirrende Krebszellen andocken können und diese zum Wachstum animieren. Zoladex ist eine Depot-Spritze, die meine Eierstöcke lahm legt, sodass sie kein Östrogen mehr produzieren. Die Zometa-Infusion bekomm ich alle 6 Monate zum Schutz meiner Knochen. Diese Infusion legt mich immer wieder ca. 2 Tage flach. Alles erforschte Maßnahmen, die die Wahrscheinlichkeit auf ein Rezidiv oder Metastasen verringern sollten. Darum mache ich es - und zwar mit Überzeugung und Vertrauen auf die Medizin. Noch mindestens weitere 2,5 Jahre werde ich diese Therapie machen. Dann sehen wir weiter…

 

 

UND JETZT IST SCHLUSS MIT JAMMERN!

Fertig gejammert!

Genug gejammert!

Danke fürs zuhören!

 

 

Denn jetzt werde ich mich selbst wieder auf Optimisten-Modus stellen und mich daran erfreuen, dass ich hier und jetzt da bin - einfach da bin. Ich lenke meine Gedanken auf die vielen schönen Dinge in meinem Leben. Ich bin dankbar für die vielen wunderbaren Menschen in meinem Umfeld. Ich freue mich darüber, auf meinen gesunden Beinen durch die Gegend zu marschieren und Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen. Danke an das wunderbare Land Österreich, welches eine solche großartige medizinische Versorgung bietet – eine großartige soziale Errungenschaft.

 

 

Und genau aus diesen Gründen beantworte ich die Frage: „Wie geht’s dir, Evelyn?“ mit „Gut, danke!“ und lasse die Jammer-Punkte aus dem vorigen Absatz einfach weg...

 

 

Love & Peace Ihr Lieben

 

Eure Evelyn

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Eva (Mittwoch, 25 Mai 2016 19:16)

    Deshalb liebe ich dich!

  • #2

    Ingrid (Dienstag, 21 Juni 2016 10:02)

    Liebe Evelyn,

    schön, dass du mal jammerst. Das ist durchaus erwünscht und gestattet uns, dich auch einfach mal zu drücken und mitzufühlen, sofern du das zulässt. Ich bin froh, dass du die beste medizinische Versorgung erhältst. Hug!

  • #3

    Evelyn (Dienstag, 21 Juni 2016 10:41)

    Liebe Ingrid!
    Deine Hugs nehme ich IMMER gerne an! :-)
    Küsschen, Evelyn

    ....und Eva!!!! Ich liebe dich auch!!! <3

Kontakt:

Evelyn Flatz, Lustenau (A)

+43(0)699 10556705

evelyn.flatz@gmx.at

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